Zur Geschichte der Brigittenkirche und der Suppinger Gemeinde

Wenn man in den Geschichtsbüchern nach einem Gründungsdatum der evangelischen Kirchengemeinde Suppingen sucht, kann man im Jahr 1569 ansetzen: Damals wurde Suppingen – bis dato eine Filiale der Laichinger Kirche – auf herzoglichen Beschluss zur eigenständigen Pfarrei erhoben, Abraham Müller wurde erster evangelischer Seelsorger vor Ort. Das christliche Gemeinwesen in Suppingen ist freilich viel älter: Bereits im 15. Jahrhundert wird eine der Hl. Brigitta geweihte Kapelle erwähnt – die Keimzelle der heutigen Brigittenkirche. Ab 1534 wurde in Württemberg unter Herzog Ulrich die Reformation eingeführt. Da in Blaubeuren bereits 1535 der erste evangelische Pfarrer sein Amt antrat, wird in einem der Folgejahre auch die alte Suppinger Kapelle erstmals für evangelische Gottesdienst genutzt worden sein. In den 1560er-Jahren wurde sie großzügig zur Kirche erweitert: Eine Inschrift am südlichen Eingang der Kirche, die noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu lesen war, zeigte die Jahreszahl 1564.
Nach Errichtung der eigenständigen Pfarrei 1569 konnte das Gemeindeleben sieben Jahrzehnte gedeihen, bis die Wirren des Dreißigjährigen Krieges Suppingen erreichten: Als Folge der für die Evangelischen verheerenden Schlacht von Nördlingen im Herbst 1634 wurde das Dorf weitestgehend zerstört. Rudolf Schiler, Suppinger Pfarrer von 1893-1902, vermerkt in seiner Chronik: „Wie wenn der Sturm nicht bloß da einen Zweig am Baume knickt und dort einen, sondern den Baum selbst mit den Wurzeln aus dem Boden reißt, so war das Unglück, das damals über unsere Gemeinde hereinbrach.“ Es sollte Jahrzehnte dauern, bis sich wieder eine Gemeinde sammelte. „Die Gemeinde aber, die dann entstanden ist, war eine fast durchaus neue Gemeinde: nicht nur die Häuser waren neue, andere, auch das Geschlecht, das darinnen wohnte, war ein anderes gegen früher.“
Zwischen 1635 und 1649 blieb die Pfarrei verwaist. Im März 1649 wurde die Betreuung der wenigen Suppinger Gemeindeglieder – sechs bis sieben Haushalte wurden gezählt – dem Berghüler Pfarrer übertragen, der in diesen Jahren im Übrigen auch für Machtolsheim verantwortlich war. Mit seinem ersten Gottesdienst in Suppingen hat er sich Zeit gelassen – dieser wurde erst am 3. Juli 1653 in der Brigittenkirche gefeiert. Möglicherweise musste die Kirche erst wieder instand gesetzt werden; sie hatte zwar den Brand des Jahres 1634 weitgehend unbeschadet überstanden, dürfte aber unter der Verwüstung des Dorfes gelitten haben. Ab 1659 wurde die Zuständigkeit für Suppingen an den Sontheimer Pfarrer übertragen; Gottesdienste fanden in diesen Jahren der Vakatur alle zwei bis vier Wochen statt.
Im Jahre 1668 wandte sich „die gesamte Inwohnerschaft zu Suppingen“ in einer Bittschrift an den Herzog, in welcher sie um die Wiederanstellung eines eigenen Pfarrers und um Erbauung eines Pfarrhauses baten. Die Begründung der Suppinger: „Die Mehrzahl der Bürger […] wie auch die heranwachsende Jugend bedürfen in Religion und Sitten fleißigen und täglichen Unterrichts und Aufsicht, während jetzt nur alle vierzehn Tage einmal gepredigt und außerhalb des vierwöchigen Bettags die Kirche nie besucht wird.“ Im März 1668 genehmigte Herzog Eberhard III. das Gesuch; im darauffolgenden Jahr wurde das neue Pfarrhaus errichtet. Magister Georg Friedrich Schweizer war der erste Suppinger Seelsorger nach der langen Vakaturzeit.
In den folgenden Jahren muss es in den Gottesdiensten der wiedererrichteten Pfarrei bisweilen recht turbulent zugegangen sein. Pfarrer Ruff (1675-1680) klagte: „Die Suppinger gehen zur Kirche, daß es zu erbarmen, ja zu beweinen ist. Die Scheu vor dem Heiligen ist vielen abhanden gekommen. Etliche kommen in die gewöhnlichen Gottesdienste mit ganz obskuren Kleidern, als wenn sie dreschen wollten.“ Noch 1718 heißt es, dass die Leute ungeziemend bekleidet in die Kirche kommen, die Weibsleute barfuß und die Männer „ohne Kamisol, wullen Hemd und dergleichen“.
Im Jahr 1686 kaufte die Kirchengemeinde Suppingen den Seißener Nachbarn eine Glocke ab: Das erst 1659 in Ulm gegossene Exemplar passte nicht mehr zum neu abgestimmten Geläut der frisch errichteten Nikolauskirche. Hatten die Seißener für den Guss 50 Gulden bezahlt, so stellten sie den Suppingern nun 250 Gulden in Rechnung; Grund für die Verfünffachung des Kaufpreises war wohl, dass Seißen das teure Metall seinerzeit selbst aufgebracht hatte. Über den Verbleib der Glocke gibt es leider keine gesicherten Erkenntnisse: Wahrscheinlich wurde sie im Jahr 1805 ersetzt.
1790 besuchte der wandernde Student Friedrich August Köhler Suppingen und hat seine eigenwilligen Eindrücke vom Innerraum der Brigittenkirche in seinem Reisetagebuch festgehalten: „Die Kirche ist klein, hat eine ordentliche Orgel, aber ihr Innwendiges ist ganz, nicht gerade mit anstößigen, aber doch lächerlichen und zum Theil absurden, elenden Malereien bekleckt. Unter dem Bild des Messias steht ,Salvador‘, welches einen vermuthen machen könnte, der elende Pfuscher seye ein Spanier gewesen, doch aus anderen Producten seines Pinsels wird man überzeugt, daß er ein dummer Katholike aus der Nachbarschaft gewesen, denn er hat z.B. hinter der Kanzel den verdienten Reformator Luther so häßlich abgebildet, daß man sich keinen Ketzer im Fegefeuer scheußlicher vorstellen kann und sein Anblick schwangeren Weibern nachtheilig werden könnte.“
Über die Entwicklung der Gemeindezahlen gibt eine Pfarrbeschreibung aus dem Jahr 1828 Auskunft: „Die Ortsangehörigen betrugen nach der letzten Bevölkerungsliste 407, worunter nur 1 Katholike war.“ (Zum Vergleich: Im Jahr 2019 zählt die Kirchengemeinde 500 Glieder.) Über die Suppinger steht in der Pfarrbeschreibung weiter zu lesen: „Die Bewohner treiben besonders Feldbau und Viehzucht; sie sind im Allgemeinen verständige und gutmüthige Wesen; der Nahrungsstand ist – wirklich – mehr als mittelmäßig.“

In den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wurden, im Zuge der Gesamtrenovierung der Kirche, neben einer neuen Link-Orgel auch zwei neue Glocken angeschafft. Zu Beginn der Neunzigerjahre erfolgte die Außen-, Anfang der 2000er die große Innensanierung. 2018/19 wurde der Turm der Brigittenkirche saniert.

Pfr. Jochen Schäffler