„HERR, ich habe lieb die Stätte deines Hauses
und den Ort, da deine Ehre wohnt.“
(Psalm 26,8)

Zur Geschichte der Nikolauskirche

Erstmals urkundlich erwähnt wurde Seißen 1085 als Schenkungsgut an das neu gegründete Benediktinerkloster in Blaubeuren.
Die ältesten Bestandteile der Nikolauskirche (z.B. Stücke der Nord- und Südwand des Chores) dürften aus dem 12. oder 13. Jahrhundert, also aus romanischer Zeit, stammen.
Im Mittelalter wurde eine Kirchenstiftung zum Unterhalt der Kirche gegründet, die später auch in Not geratene Seißener Bürger unterstützte. Die Stiftung wurde im Laufe der Zeit, vor allem durch die Gewährung von Darlehen, immer reicher. In den folgenden Jahrhunderten entliehen viele Bürger aus der näheren und weiteren Umgebung Geld vom Seißener „Heiligen“.
Im 15. Jahrhundert wurden Fresken im Chorraum angebracht. In ihrem heutigen fragmentarischen Zustand lassen sich die Inhalte nicht sicher deuten: Sie zeigen in der oberen Bilderreihe vermutlich Heiligendlegenden, in der unteren Kindheitsgeschichten Jesu.
1534 wurde Württemberg evangelisch. Der erste evangelische Pfarrer in Seißen war Stephan Kauth (oder Kant). Vermutlich zog er 1542 auf die Alb, er tat seinen Dienst bis 1559.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde Seißen von Kaiserlichen Truppen „in die Asch gelegt“: 1635 gingen die Kirche, Pfarrhaus und Schule sowie 95 Wohnhäuser des Fleckens in Flammen auf.
Bereits 1651 erfolgte der Wiederaufbau der Kirche, 1658 der des Turmes. 1666 wurde das Pfarrhaus neu errichtet. Aus dem Jahr 1686 stammt die älteste der Seißener Glocken, die „Christusglocke“ (360 kg): Obwohl sie in beiden Weltkriegen abgenommen wurde, um eingeschmolzen zu werden, fand sie ihren Weg zurück auf den Turm der Nikolauskirche.
1710 wurden die Westempore vergrößert und eine neue Nordempore eingebaut, um Platz für mehr Gottesdienstbesucher zu schaffen: Zu dieser Zeit bestand noch eine Gottesdienstpflicht für alle Gemeindeglieder – selbst für Soldaten, die nur vorübergehend einquartiert waren.
Im Jahr 1717 wurde die erste Orgel eingebaut: Das Instrument tat fast 200 Jahre lang seinen Dienst. Aus derselben Zeit (1720) stammt die Bemalung der Emporenbrüstung mit biblischen Motiven durch den Schelklinger Maler Johann Georg Wolcker, den Älteren. Der Künstler war in vielen Kirchen in der näheren Umgebung tätig, so auch in Berghülen, Ulm und Schelklingen.
1848 wurde die Kanzel neugestaltet: Sie wurde mit Darstellungen der vier Evangelisten versehen. Auf dem Schalldeckel wurde der goldene „Posaunenengel“ installiert – für viele Seißener eine der liebsten Figuren in ihrer Kirche.
Nachdem das Geläut nach dem Zweiten Weltkrieg jahrelang nur einstimmig vom Turm erklang, wurde der Glockenstuhl 1952 mit zwei neu gegossenen Instrumenten wieder vollzählig bestückt.
In den Jahren 1966-69 fand eine umfangreiche Außen- und Innenrenovierung der Kirche unter Pfarrer Michael Mildenberger statt: In diesen Jahren erhielt die Nikolauskirche im Innenraum ihr heutiges Gesicht. Bei Abnahme der Orgelempore im Chorraum wurden unter dem Putz besagte mittelalterliche Fresken wiederentdeckt und freigelegt.
Das mittlere Chorfenster, in dem Szenen der Passionsgeschichte und Gleichnisdarstellungen einander zugeordnet werden, wurde 1970 von dem renommierten Glaskünstler Hans Gottfried von Stockhausen nach einem theologischen Entwurf von Pfarrer Mildenberger gestaltet. Werke von Stockhausens finden sich auch im Ulmer Münster, im Konstanzer Münster oder der Leipziger Thomaskirche.
1971 wurde die neue Orgel, ein Werk der Firma Link, eingebaut.

Seit vielen Jahrhunderten ist die Nikolauskirche ein Ort der Gotteserfahrung: Sie ist ein Platz, an dem Trost und Hoffnung gesucht und gefunden werden. Hier werden die Zäsuren in einem Menschenleben mit Gottesdiensten begangen und in den Rahmen unseres christlichen Glaubens gestellt. Daneben ist die Nikolauskirche auch nach wie vor das Wahrzeichen des Dorfes Seißen und ein Symbol für die Heimat.

Weitere Informationen zur Geschichte des Dorfes und der Kirche finden sich in dem umfangreichen Heimatbuch, das zur 900-Jahr-Feier Seißens im Jahre 1985 von Pfarrer W.A. Ruopp und Lehrer Otto Strübel herausgegeben wurde („900 Jahre Seißen – glei bei Blaubeura“). Außerdem gibt es einen schönen Kirchenführer, der über das Pfarramt bezogen oder in der Kirche erworben werden kann.